Gedichte: Im Sommer

 

Sommernachmittag - Berlin 4 (G. Heym)

Sonntagnachmittag (E. Blass)

Der Sonntag (G. Heym)

E. L. Kirchner: Im Cafégarten, 1914 

 

Laubenfest - Berlin 7 (G. Heym)

Nehmen Se jrotesk - det hebt Ihnen (E. Blass)

 

 

  

 

 

 

 

 

Sommernachmittag (Berlin 4)

Das Wasser schwindet schnell auf dem Asphalt.

Warm steigt sein Dunst zum Himmel, dem verblaßten.

Aus Käsekellern quillt's, und aus den Kasten

Der Blumenläden, wie ein Traum vom Wald.

 

Es werfen Schatten kaum die kleinen Kronen

Der staubbezogenen Bäume auf die Fliesen.

Und allenthalben sieht man die Markisen,

Weiß, rot und braun auf schlafenden Balkonen.

(Georg Heym, 1910)

 

 

 

 

 

 

Sonntagnachmittag

Die Töchter liegen weiß auf dem Balkon.

In Oberhemden spielen Väter Kachten:

Ein Roundser steigt nach einem Full von Achten.

- Und singen tut sich eins der Grammophon.

 

In Straßen, die sich weiß wie Küsse dehnen,

Sind Menschen viel, die sich nach Liebe sehnen.

Noch andre sitzen in Cafés und warten

Die Resultate ab aus Hoppegarten.

 

Der Dichter sitzt im luftigsten Café,

Um sich an Eisschokolade zu erlaben.

Von einem Busen ist er sehr entzückt.

 

Der Oberkellner denkt hinaus (entrückt)

An Mädchen, Boote, Schilf,... an Schlachtensee.

Der Dichter träumt „... und werde nie sie haben...“

(Ernst Blass, 1911)

 

 

 

 

 

 

Der Sonntag

Die Havel träumt. Der Dampfer stuckert. „Sie

Wat stoßen Sie dem Kinde.“ „Fahrschein bitte.“

Und vorwärts schwebst du selig durch die Mitte

In lichter Kaffeegärten Poesie,

 

Die an das Ufer sich verloren betten.

Dahinter rauscht ein (unl.Wort) Wald.

„Max setz dir hin. Sonst wird dein Kaffee kalt.“

Und friedlich stinkt es von den Toiletten.

 

Nun stocherst du im grauen Straßenbrei.

Rechts wird der Leierleute Kunst gepflegt.

Und Gäuche steigen linker Hand vorbei.

 

Der Mond nur < wohlgenährt > und unbewegt,

Er sitzt im Himmel wie ein Papagei

Der manchmal mit den dicken Flügeln schlägt.

(Georg Heym, 1911)

 

 

 

 

 

 

Laubenfest - Berlin 7

Schon brennen die Lampions wie bunte Trauben

An langen Schnüren über kleinen Beeten,

Den grünen Zäunen, und von den Staketen

Der roten Bohnen leuchtend in die Lauben.

 

Gesumm von Stimmen auf den schmalen Wegen.

Musik von Trommeln, Pauken und Trompeten.

Es steigen auf die ersten der Raketen

Und platzen oben wie ein Silberregen.

 

Auf einer Bank sitzt, von den Jahren bleich,

Ein Mütterchen in dem beblümten Kleid.

Herüber schallt der Tanzmusik Gestreich.

 

Im blauen Abend steht Gewölke weit,

Delphinen mit den rosa Flossen gleich,

Die schlafen auf der Meere Einsamkeit.

(Georg Heym, 1910)

 

 

 

 

 

 

Nehmen Se jrotesk - det hebt Ihnen

Ein alter Mensch trinkt eine „Weiße“ mit.

Die Sonne glotzet laut und unablässig.

Vier Leute kommen heim von einem Ritt.

Ein Kritiker wird plötzlich sehr gehässig.

 

Betthasen schwirren schweinisch, aber nett.

Ein Oberlehrer kauft sich einen Kragen,

Er hat den alten nun genung getragen.

Ein flacher Neger starrt in die „B.Z.“.

 

Der Himmel hängt wie eine Dyspepsie

Herab auf Wilmersdorf, die Dichterstadt.

Ein Puter putert sich verzerrt und matt.

Und eine Henne ruft: Kikeriki.

(Ernst Blass, 1912)