Und dennoch hab ich harter Mann,
blöcken drei blaugraue Zahnstummel
aus ihrer muffigen Höhle mit.
Und dennoch schlug die Liebe mir,
wölben sich zwei Hurenschnauzen
vor.
Matchiche:
Ida paßt ihre Formen der Musik an.
Buchtet sich ein und aus.
Wirft sich aus ganz ebenen Stellen
auf:
„Mensch, Ida, du hast woll een
Gelenk zu ville.“
Ein Provinziale ertrinkt in einer
Minettschnauze.
Nimm mich hin. Ich will versinken.
Laß mich sterben. Gebäre mich.
(Gottfried Benn, 1913)
Ein Medaillon des Mittelstandes
staunt
von Fett umträumt das Kinn: da
bist du ja.
Dem Manne rutscht das Auge hin und
her.
Ein Schnäuzchen schmiert ein
Lachen in die Luft:
Ick habe schon gehabt. Ob du noch
kommst,
Ick kann mir doch mein Brot mit
Schinken kofen.
Besambar sitzt an jedem Tisch mit
Federn
am Hut und stellt das Bein, saugt
die Hüften
Samenschwers immer heißer in den
Schoß.
Ein Lied wölbt eine Kuppel in die
Decke
aus Glas: Die kalte Nacht verwölkt
die Sterne.
Der Mond verirrt sein Gold in
diesen Gram.
(Gottfried Benn, 1914)
Ein Mann tritt mit einem Mädchen
in Verhandlung:
Deine Stimme, Augenausdruck,
Ohrläppchen
sind mir ganz piepe.
Ich will dir in die Schultern
stoßen.
Ich will mich über dir ausbreiten.
Ich will ein ausgeschlenkertes
Meer sein, du Affe!-
(Gottfried Benn, 1913)
824: Der Frauen Liebe und Leben.
Das Cello trinkt rasch mal. Die
Flöte
rülpst tief drei Takte lang: das
schöne Abendbrot.
Die Trommel liest den
Kriminalroman zu Ende.
Grüne Zähne, Pickel im Gesicht
winkt einer Lidrandentzündung.
Fett im Haar
spricht zu offenem Mund mit
Rachenmandel
Glaube Liebe Hoffnung um den Hals.
Junger Kropf ist Sattelnase gut.
Er bezahlt für sie drei Biere.
Bartflechte kauft Nelken,
Doppelkinn zu erweichen.
B-moll: die 35. Sonate.
Zwei Augen brüllen auf:
Spritzt nicht das Blut von Chopin
in den Saal,
damit das Pack drauf rumlatscht!
Schluß! He, Gigi! -
Die Tür fließt hin: Ein Weib.
Wüste. Ausgedörrt. Kanaanitisch
braun.
Keusch. Höhlenreich. Ein Duft
kommt mit. Kaum Duft.
Es ist nur eine süße Vorwölbung
der Luft
gegen mein Gehirn.
Eine Fettleibigkeit trippelt
hinterher.
(Gottfried Benn, 1912)
„Ick bekomme eine Brüh', Herr
Ober!“-
saldo-crack mit Mensch ist gut von
Frank-
Hoch die Herren Seelenausbaldower
Breakfast-dämon,
Tratten-überschwang.
„Laß dir mal von Hedwig das
erzählen“
Reise-Hedwig! Aufbau, Sitte,
Stand-
Wurm, Gomorrha, cyanüres Schwälen
über das verfluchte Abendland.
(Gottfried Benn, 1921)
Das ganz schmalschuhige Raubpack,
Russinnen, Jüdinnen, tote Völker,
ferne Küsten,
schleicht durch die
Frühjahrsnacht.
Die Geigen grünen. Mai ist um die
Harfe.
Die Palmen röten sich. Im
Wüstenwind.
Rahel, die schmale Golduhr am
Gelenk:
Geschlecht behütend und Gehirn
bedrohend:
Feindin! Doch deine Hand ist eine
Erde:
süßbraun, fast ewig, überweht vom
Schoß.
Freundlicher Ohrring kommt. In
Charme d'Orsay.
Die hellen Osterblumen sind so
schön:
breitmäulig gelb, mit Wiese an den
Füßen.
O Blond! O Sommer dieses Nackens!
O
diese jasmindurchseuchte
Ellenbeuge!
Oh, ich bin gut zu dir. Ich
streichle
dir deine Schultern. Du, wir
reisen:
Tyrrhenisches Meer. Ein
frevelhaftes Blau.
Die Dorertempel. In
Rosenschwangerschaft
die Ebenen. Felder
sterben den Asphodelentod.
Lippen, verschwärmt und
tiefgefüllt wie Becher,
als zögerte das Blut des süßen
Orts,
rauschen durch eines Mundes ersten
Herbst.
O wehe Stirn! Du Kranke, tief im
Flor
der dunklen Brauen! Lächle, werde
hell:
die Geigen schimmern einen
Regenbogen.
(Gottfried Benn, 1913)
Der Dichter glotzt verstockt in
Rauch und trinkt
Viel schweres Bier und fühlt sich
ganz verlassen -
Er denkt gerührt an sie, die
schmal, verschminkt
Sich jetzte Bettfreunde wirbt in
dunklen Gassen.
Er denkt der vielen Bürger, die
ihn hassen,
Es kommt ihm schmerzhaft bei, daß
er ja hinkt,
Er sehnt sich weit nach luftigen
Terrassen,
Wo Rosen Blühn und sanft ein Vogel
singt.
Mißtrauisch schielt der Wirt nach
ihm. ein Gast
Hetzt höhnend seine Freunde auf
und stiert.
Die scheelen Frauen tuscheln unter
sich -
Der Dichter träumt sich Purpur und
Palast
Und eine, die ihn liebt. Sein
Blick verliert
Sich himmelhoch und leuchtet
königlich.
(Max Herrmann-Neisse, 1913)
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