Der Süden wird verbluten in der
Sonne Stunden.
Der Taten Gott erzürnt aus
Lavagrüften schlug.
Es kreiset um das Land der Berge
Flammenrunde.
Da brachen auf wir schwarz, ein
dünner Totenzug.
Der Süden ist bestimmt zu ewiger
Trauer Schlafe.
Wir haben unserer Träume Barken
ausgebrannt.
Wir winken mit den Fackeln nach
dem stillen Hafen,
Die streichet aus der Finsternisse
Mutterhand.
Des Südens Atem klebt an unseren
krummen Rücken
Mit Winden lau und dumpfer Glocken
Grabgedröhn.
Betrübet Euch! Des Abends rote
Nebelmücken
Bestürmen euch mit Sang. Laßt uns
vorübergehn!
Maultiere brechen hart von
schartigem Messergrate.
Lawinen übertünchen uns mit Liebe
weißem Fächer.
Wildbäche überblitzen hoch der
Brücken Drahte.
Geysireplatzen aus der brüchigen
Felsen Köcher.
Wir sanken morgens in der Spalten
grüne Kammern.
Wir tauchten mittags ein in
Gletschermühle Becken.
Es sauste nieder des Erdrutsches
Keulenhammer.
Des Winters Sturm riß uns aus
wohlichtem Verstecke.
In Höhlenlöchern warteten die
zarten Wunder.
Mit Gerten schlugen wir uns Labung
aus dem Stein.
Wir stürtzten ab mit nasser
Büschel Fleckenschrunde.
Wir starben in den Kelchen der
Enziane klein.
Wir tauten auf beim Hirtengruß und
dem Geblöke
Der Herden. Aus der Blumen Grunde
warmem Lauch
Sog uns zu Funkengärten schräger
Purpurkegel.
Es trug uns Raub der neuen Heimat
Wirbelhauch.
Aus Dächerfirnen strahlt der Meere
Glanzgebreite,
Urwälder sind in Schlot und Balken
hochgewachsen.
Der Rauche rußiger Hain beschattet
die Gemäuer.
Der Krater Trichter schrumpften,
schiefe Aschenzacken.
Der Wiesen Fluren tanzen um als
Wimmelplätze.
In langer Straßen Schluchten
weinen Abendröten.
Ein Quellenstrudelschwarm zum
Himmel hetzet
Bei Kellertunnelnot und Krach der
Speicherböden...
Berlin! Du weißer Großstadt
Spinnenungeheuer!
Orchester der Äonen! Feld der
eisernen Schlacht!
Dein schillernder Schlangenleib
ward rasselnd aufgescheuert,
Von der Geschwüre Schutt und Moder
überdacht!
Berlin! Du bäumst empor dich mit
der Kuppeln Faust,
Um die der Wetter Schwärme
schmutzige Klumpen ballen!
Europas mattes Herze träuft in
deinen Krallen!
Berlin! In dessen Brust die Brut
der Fieber haust!
Berlin! Wie Donner rattert
furchtbar dein Geröchel!
Die heiße Luft sich auf die
schwachen Lungen drückt.
Der Menschen Schlamm umwoget deine
wurmichten Knöchel.
Mit blauer Narbe Kranze ist dein
Haupt geschmückt!
Wir wohnen mit dem Monde in
verlassener Klause,
Der wandelt nieder auf der Fürste
schmalem Joche.
Der Tage graue Gischt zu sternenen
Küsten brauset.
Auf Winkeltreppe ward ein Mädchen
wüst zerstochen.
Wir lungern um die Staatsgebäude
voll Gepränge.
Wir halten Bomben für der Wagen
Fahrt bereit.
Die blonde Muse längs sich dem
Kanale schlängelt,
Quecksilberlicht aus Läden lila
sie beschneit.
Auf Pflaster Nebeldämpfe feuchte
Wickel pressen.
Auf trägem Damme erste
Stadtbahnzüge schnaufen.
Die alten Huren mit den
ausgefransten Fressen,
Sie schleichen in den bleichen
Morgen, den zerrauften...
O Stadt der Schmerzen in
Verzweiflung düsterer Zeit!
Wann grünen auf die toten Bäume
mit Geklinge?
Wann steigt ihr Hügel an in weißer
Schleier Kleid?
Eisflächen, wann entfaltet ihr der
Silber Schwinge?
Auf prasselnder Scheiter Haufen
brennet der Prophet.
Der Kirchen Türme ragen hager auf
wie Galgen.
Die Haare Flachs. Sein Leib auf
Messingfüßen steht,
Im Ofen heiß wie glühender
Erzkoloß zerwalket.
Und seine Stimme schwillt wie
Wasserrauschen groß,
Da löschet aus des Brandes Qual
auf heiliges Zeichen.
Ein fahles Schiff, das löset sich
vom Ufer los,
Sich das Gerüst hebt und in die
Nacht entweichet.-
Einst kommen wird der Tag!... Es
rufet ihn der Dichter,
Daß er aus Ursprungs Schächten
schneller her euch reise!
Des Feuers Geist ward der
Geschlechter Totenrichter.
Es zerren ihn herauf der Bettler
Orgeln heiser.
Einst kommen wird der Tag!... Die
himmlischen Legionen,
Sie wimmeln aus der Wolken Ritze
mit Geschmetter.
Es schlagen zu mit Knall der
Häuser Särgebretter.
Zerschmeißen euch. Es hallelujen
Explosionen.
Einst kommen wird der Tag!... Da
mit des Zorns Geschrei
Der Gott wie einst empört die
milbige Kruste sprengt.
Im Scherbenhorizonte treibt ein
fetter Hai,
Dem blutiger Leichen Fraß aus
zackichtem Maule hängt.
(Johannes R. Becher, 1914)
Berlin-: mit Schulter=Bergen hab
ich dich durchdröhnt!
Zerstampfet deiner Häuser
zementenen Apparat.
...verhängt wir rings mit
Tau=Schleim ewiger Straßen...
Von Kreisel=Plätzen lodernd
übertätowiert.
Berlin! Berlin! Voll Donner=Tag du
Stadt, doch nimmer
aufreißt du
Solch blankes Firmament der Brust;
denn Schwalben
sprühen.
Gewitter streichen Winde eines
Atems.
O Berg eilt uns als Dämon Helfer
zu.
Berlin, Paradies=Strom frißt dich
labyrinthische Feste.
Kanäle fallend mir anheim. O Höfe
zwitschernd!
Ja Palmwälder sprießen Schlote der
Fabriken.
O Schatten=Traum der rings
beglänzten Ärmsten!
Berlin Scharlachkürbis zerbeulte
Frucht ins Netz der
Himmel schlagend.
Wo Mensch=Ameise schwirrt im
jähesten Fabelreich
elastischer Korridore.
Wann wirst Du Volk empor aus jener
Wildnis tagen!?
(... du Tat aus Geist geboren...)
Du Volk-: Gewalt, aus der dein
Dichter brennt.
Du Volk versklavt in Gründe Mords
gerissen.
Du Volk entführt im Mörser Brei
zerschmissen.
... behelmt der Stirnen
Schauer=Firmament...
Hah: morschen Bruders Leib dein
Feld, dein Kissen!
Ja, euere Frauen Jenes Skalp sich
hissen!!
(Barbar vom Bomben=Werk
zerbissen.)
Du Volk! Mein Volk-: daß sich dein
Blut verschwend:
Die Henkerfalten deines Antlitz
glätten.
Dann sei, daß strahlend sich aus
Schädelstätten
! Ihr Muskeln stemmt!
Dein Himmel hebt. Sternmulden
schimmernd früheste
Narben.
Fischgründe lodern. Klirrt o
Strahlen=Garben!!!
(Johannes R. Becher, 1918)
Seine Leiche liegt in der ganzen
Stadt,
in allen Höfen, in allen Straßen.
Alle Zimmer
sind vom Ausfließen seines Blutes
matt.
Da beginnen Fabriksirenen
unendlich lange
dröhnend aufzugähnen,
hohl über die ganze Stadt zu
gellen.
Und mit einem Schimmer
auf hellen
starren Zähnen
beginnt seine Leiche
zu lächeln.
(Rudolf Leonard, 1914/18)
Dein Herz von Asphalt
Proleten werfen es in die Scheiben
des Jahrhunderts
Und dein elektrisches Auge brennt
über hängenden Gärten
gelbe Untergrundbahn
Flieht zu lieblichen Quellen des
Abends
Berlin du Bar des Planeten
Wie ich Urzeit spüre!
Unterwelten entsteigt der Autobus
Hirne braun gebacken bei Kempinsky
Fett befingerter Prophet
Über preußischblauen Postbeamten
Bruder: ach es schwankt die
Himmelsachse
Klappt dir den Zylinder zu
Doch im Kino krönt man Könige noch
Kant und Einstein lächeln populär
Die Kultur! Kultur! Kultur!
Zu den Negern drahtet eure Lüge
Kleine Mädchen haben ein
Papierherz
Schattig Paradies der
Promenadenbänke
Deine Frühlinge aus Tüll und
Lindenblüten
Liebt der Bordellherr
Marmorn muß das Kolossale
strotzen!
Türme gibt es nicht noch Götter:
Aber das Quadrat der Bank,
Zuchthaus von Moabit:
Und ägyptisch
Wirkt die Statue des Schutzmanns
Bei den Stollwerckautomaten
Da entquillt dem Schnaps-Sumpf
mein Prolet!
Freiheit! kaut das müde Maul des
Hungers
Freiheit! zirpt die ferne
Artillerie
Freiheit! in Kolonnen des
Sturmschritts
Hymnen schreibt der rote
Redakteur!
Und die Orgeln brausen: O Susanne!
Heilige Rosen blühen im
Landwehrkanal
Letzte Rose von Deutschland!
Alles Gold zerrann zu Freibier
Lockernd den Asphalt des Mob -
O Berlin, du Nessel am Kreuzweg
des Ostens
Dorre an deinem Staube bröckle
Vergessenheit
(Iwan Goll, 1918)
Noch klappen Paternoster.
Fensterfronten schreiten
weiß wie Flamingos in den
Lampenozean.
Versandet aber liegen Ufer, Kran
bei Kran,
aus den Kanälen wachsen Mauern von
drei Seiten.
Die braunen Hügel Armut vor dem
Wald der Schlote
vergaßen, daß hier aufbrach ein
Vesuv...
Die Stuben schallen voller Ruf,
vor Schenken hängt der Mond, die
rote Zote.
Und plötzlich hat der Straßen
glattes Einerlei
das riesig strotzene Gesicht
apokalyptisch überglänzt von
Schrift:
„Gebt Raum auf Halden, Werften,
Glacis,
gebt Raum auf Rasen, Blumenbeet
und Kies
dem Mai, der unsere Kehlen
heimsucht als ein Schrei!“
(Paul Zech, 1913)
Zementene Rose, rings von kalten
Flecken
Laternenkuppeln magisch überbaut:
Um Röhrenhals ein Zirkusamulett
die Hecken.
Azure jähe stürzen aus asphaltenen
Becken.
Du goldenen Südens langerweinte
Braut!
Zerhackter Kindheit Traum.
Katholische Legende.
Am Abgrundweg du freie
Morgenwende.
Wir strömen ein. Da kreisen
schmetternd uns Portale.
Fanfaren Stoß rinnt lang die
Straße grad.
Es träuft von Wimpern Tau der
Dörfertale.
Verwoben schon im mystischen
Apparat.
Steig um aus Nacht! Eröffne dein
ländliches Kleid!
Schleudere den Arm, den Pflug -
Signal! - ins Endlose weit!!
Die Huren wallen rhythmisch aus
Tapeten
Von Horizonten
veilchenveilchenblau.
Die jungen Dichter von Tribühnen
reden.
Du Kanzler starbst im nächtlichen
Gehau.
Jahrhundertwind fegt breit in
vollstem Zug.
Es fällt der Mensch, den deine
Strophe schlug!!
Berlin! Berlin!! Es streifen
Tausendbahnen
Melodisch surrend über dein
Gezelt.
Drüber, drüber aber braust die
Sternenwelt...
Türme spitz aus wogendem Ozeane.
Wir strömen ein. Von springenden
Balkonen
Saltomortaleclou auf heißen Platz.
Aus Leibs karrierter Haut erblühen
neue Zonen,
Darauf wie Knospe Schnee die Sonne
platzt.
(Johannes R. Becher, 1916)
Schornsteine stehen in großem
Zwischenraum
Im Wintertag und tragen seine
Last,
Des schwarzen Himmels dunkelnden
Palast.
Wie goldne Stufe brennt sein
niedrer Saum.
Fern zwischen kahlen Bäumen,
manchem Haus,
Zäunen und Schuppen, wo die
Weltstadt ebbt,
Und auf vereisten Schienen mühsam
schleppt
Ein langer Güterzug sich schwer
hinaus.
Ein Armenkirchhof ragt, schwarz,
Stein an Stein,
Die Toten schaun den roten
Untergang
Aus ihrem Loch. Er schmeckt wie
starker Wein.
Sie sitzen strickend an der Wand
entlang,
Mützen aus Ruß dem nackten
Schläfenbein,
Zur Marseillaise, dem alten
Sturmgesang.
(Georg Heym, 1910)
Es brennt! Mein Kissen glüht! Die
Silberwand
Des Schlafes schmilzt, der Straße
Morgenland
Wölbt hallend sich mit hartem
Schwung ins Fenster
Ein Heer von Händen greift nach
meiner Hand!
Berlin ersteht. Ein Riese hebt
mich, schäumend:
Revolution! aus den verbrauchten
Träumen
Herauf an seinen starken
Arbeitsmund,
Mit Reihen Zähnen, Straßen,
Häusern, Bäumen.
Rund umgewälzte Erde! zur Gewalt
Gelangtes Licht! Neu, Sieger über
Alt!
Sturm auf Büro, Geschäft, Fabrik,
der trommelnd
Von tausend Tritten mir
entgegenprallt!
Des Morgens große rote Neuerungen,
Erschlagt mich nicht, jetzt
sterben nicht die Jungen!
Mein Arm, nun stoße wie ein Kolben
vor,
Mein Auge weite dich, sonst sei
verschlungen!
Des Willens Stadt, Berlin, der
Arbeit Raum -
Wer kann zurück in der Gefühle
Flaum?
Wer ruht? Hinein ins ernste Volk
der Arbeit!
Du straffer Tag bist unser neuer
Traum.
(Alfred Wolfenstein, 1916)
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