Gedichte: Am Fenster

 

Regen (E. Blass)

Pause (E. Blass)

 

C. Felixmüller: Tod des Dichters, 1924

Berlin 3 (G. Heym)

  

 

 

 

 

Regen

Und die Genossen der verflossnen Nächte

Sind plötzlich deiner Seele furchtbar nah

Und stehen stumm und tötend um dich da.

Und es ergrauten schon geputzte Prächte.

 

Unirdisch klingt Getöse von Berlin.

Und es regieren grausige Magien.

 

Und wo noch gestern leichte Lichter liefen,

Da fühlst du heute tausend Wasser triefen,

Und fühlst sie tausend Selige zerreiben,-

Und stemmst die Stirne an die Fensterscheiben.

(Ernst Blass, 1912)

 

 

 

 

 

 

Pause

Ich habe so lange hier allein gesessen.

Schön ist es, an das Fenster zu treten,

Zu sehn den vom Winter durchwohnten, späten

Nachmittag; der ist klirrend weit und vergessen.

 

Und nicht länger sucht' ich den Dingen Namen -

Alles Verhüllte war geisterhaft klar - - -

Und durch die geöffneten Fenster kamen

Luftzüge kalt und wunderbar.

(Ernst Blass, 1913)

 

 

 

 

 

 

Berlin 3

Der Zug hielt eine Weile in den Weichen.

Von einem Tone ward das Ohr gefangen.

Von eines alten Hauses Mauern klangen

Drei Geigen schüchtern auf mit dünnem Streichen.

 

Drei Männer spielten in dem Hofe leise,

Von Regen waren naß die Pelerinen.

Der Blinden Schirm trug einer unter ihnen.

Die Kinder standen um sie her im Kreise.

 

Indes am niedren Bodenfenster oben

Ein alter Mann sah auf zum Wolkenfalle

Die stürmend sich am grauen Himmel schoben.

 

Der Zug fuhr an. Wir brausten in die Halle

Des Bahnhofs ein, die voll war von dem Toben

Des Weltstadtabends, Lärm und Menschenschwalle.

(Georg Heym, 1910)