Hurra! Der Strudel hat mich
ausgespieen.
Fiebernd blicke ich und stammle
Fluchgesänge.
Der D-Zug fährt noch zwischen
Häusern hin.
Und ich bete, daß die Befreiung
mir gelänge
aus dem Wüsten, Wilden, wie es
Gott gefällt,
über dem nassen Tiergarten seh ich
die Wolken ziehn,
„Zoologischer Garten“. Dies war
meine Welt.
Aber in Geierfängen entflieh ich
dir, Berlin!
Nein, ich bliebe nicht, selbst
wenn sie mich umschlänge
und aus ihrem wunderschönen Mund
sich ränge
herzerschütternd Liebesglut und
Angstgebet.
Prinzeß, adieu! Jetzt trinkt ihr
wohl Kaffee,
im Garten, vor dem besonnten,
roten Tulpenbeet,
das Eurer schwarzen Schönheit
ebensogut steht,
wie etwa das Feuer im Kamin Eures
dunkeln Zimmers.
Wie liebe ich die zuckende
Wildheit seines Schimmers
auf Euerm braunen Leib, worin das
Auge dunkelnd
die Nacht der Nächte offen hält,
in Widerschein von tanzenden,
roten Lichtern funkelnd,
und heiß, als schmölz darin die
Welt.
Ihr Abendschönheit, rote Lilie,
glühender Schnee
und Buchengold um den entflammten
Höhensee.
O spiegelt Euer schmal Gesicht im
braunen Kaffee!
Prinzeß, wenn im Herbst die Abende
erkalten,
will ich es wieder in den Händen
halten.
Ihr biegt Euch wieder in meinen
Armen und lacht
ein Lachen, das uns von den
Menschen scheidet.
Doch bitte, bitte, nehmt Euch dann
in acht
und seht, daß Ihr nicht an Migräne
leidet.
(René Schickele, 1910)
(Kurt Lubasch gewidmet zum 15.7.
1912)
Du, ich halte diese festen
Stuben und die dürren Straßen
Und die rote Häusersonne,
Die verruchte Unlust aller
Längst schon abgeblickten Bücher
Nicht mehr aus.
Komm, wir müssen von der Stadt
Weit hinweg.
Wollen uns in eine sanfte
Wiese legen.
Werden drohend und so hilflos
Gegen den unsinnig großen
Tödlich blauen, blanken Himmel
Die entfleischten, dumpfen Augen,
Die verwunschnen,
Und verheulte Hände heben.
(Alfred Lichtenstein, 1912)
1.
O du Berlin, du bunter Stein, du
Biest.
Du wirfst mich mit Laternen wie
mit Kletten.
Ach, wenn man nachts durch deine
Lichter fließt
Den Weibern nach, den seidenen,
den fetten.
So taumelnd wird man von den
Augenspielen.
Den Himmel süßt der kleine
Mondbonbon.
Wenn schon die Tage auf die Türme
fielen
Glüht noch der Kopf, ein roter
Lampion.
2.
Bald muß ich dich verlassen, mein
Berlin.
Muß wieder in die öden Städte
ziehn.
Bald werde ich auf fernen Hügeln
sitzen,
In dicke Wälder deinen Namen
ritzen.
Leb wohl, Berlin mit deinen
frechen Feuern,
Lebt wohl, ihr Straßen voll von
Abenteuern.
Wer hat wie ich von euerm Schmerz
gewußt,
Kaschemmen ihr, ich drück euch an
die Brust.
3.
In Wiesen und in frommen Winden
mögen
Friedliche heitere Menschen selig
gleiten;
Wir aber morsch und längst
vergiftet, lögen
Uns selbst was vor beim in die
Himmel Schreiten.
In fremden Städten treib ich ohne
Ruder,
Hohl sind die fremden Tage und wie
Kreide.
Du mein Berlin, Du Opiumrausch, Du
Luder.
Nur wer die Sehnsuch kennt, weiß,
was ich leide.
(Alfred Lichtenstein, 1914)
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